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Am Mittwoch, den 09.11.2016, erhielten die drei Deutsch-Grundkurse der Q1 die Chance, einen Vortrag der Kölner Master-Studentin und Erziehungswissenschaftlerin Kathrin Lemler zu hören.

"Ich spreche mit den Augen. Unterstützte Kommunikation und was ich daraus mache" (http://kathrinlemler.de/) lautete das Thema ihres Vortrags, der den Abschluss der Unterrichtsreihe "Spracherwerb, Sprachwandel und Mehrsprachigkeit" darstellte. Denn Kathrin Lemler kann sich aufgrund einer schweren Körperbehinderung, die ihr eine Kontrolle und gezielte Steuerung u. a. ihrer Artikulationsmuskulatur unmöglich macht, seit ihrer Geburt nicht über die Lautsprache verständigen. Daher ist sie zum Kommunizieren auf einen Sprachcomputer mit Augensteuerungssoftware sowie auf ihre persönlichen Assistenten angewiesen, die ihr über eine spezielle Buchstabentafel buchstäblich jedes Wort von den Augen und deren Blickrichtungen ablesen können.

Während ihres 60-minütigen Vortrags berichtete sie über ihre Kindheit, Jugend und ihre ganz individuelle Sprachentwicklung in Verknüpfung mit ihrem Ausbildungswerdegang. So besuchte sie viele verschiedene Schulformen, von der Förderschule bis zu einem integrativen Gymnasium, auf dem sie letztendlich ihr Abitur in sechs anstatt drei Jahren absolvierte, da sie für die Vermittlung jeglicher Sprach- und Kommunikationshandlungen doppelt so viel Zeit benötigt. Heute studiert sie im Masterstudiengang Rehabilitationswissenschaften an der Universität zu Köln, nachdem sie dort bereits 2014 ihren Bachelor in Erziehungswissenschaften abgeschlossen hatte, und möchte zukünftig als Beraterin für unterstützt kommunizierende Menschen arbeiten.

Das mündliche und schriftliche Sprechen auf ihre Art zu erlernen, war ein langer Weg, auf dem sie viele verschiedene Systeme testete. Bis heute bewährt haben sich nur dank der fortschreitenden technischen Entwicklung der Sprachcomputer sowie die Buchstabentafel, bei der sie Wörter anhand einer von ihr und ihren Assistenten auswendig beherrschten Buchstabenübersicht durch Kopf- bzw. Blickbewegungen buchstabiert und ihre Assistenten diese dann übersetzen.

Kathrin Lemler, die neben ihrem Studium auch als Autorin verschiedener Fachbücher, Fachartikel, Erzählungen und als Fachreferentin zum Thema "Unterstützte Kommunikation "(UK) tätig ist, betonte, dass diese Art der "Unterstützten Kommunikation" für sie vor allem Selbstbestimmung bedeutet. Denn so kann sie in ihrem eigenen Haushalt mit Assistenten wohnen und selbst bestimmen, d. h. kommunizieren, was sie machen und wie sie leben möchte.

Während des Vortrags wechselte sie immer wieder zwischen ihren Kommunikationsmöglichkeiten, indem sie ihren Vortrag mithilfe der Stimme ihres Sprachcomputers hielt und zwischendurch einzelne Informationen und Kommentare über ihren Assistenten mittels Buchstabentafel ergänzte. Im Anschluss daran ließ sie Fragen zu und erlaubte ihren Zuhörern, sich selbst auszuprobieren. So durfte beispielsweise ein Schüler versuchen, sie anhand der Buchstabentafel zu verstehen und ein Wort zu übersetzen.

Nach der anfangs etwas angespannten Stimmung unter den ca. 65 neugierigen Zuhören schaffte sie es schnell, diese auf humorvolle Art zu lockern, sodass alle sehr aufmerksam zuhörten und am Ende äußerst interessante Fragen stellten, wie etwa:

- Bedeutet es für Sie einen Identitätsverlust, weil eine Computerstimme Ihre eigene ersetzt?

- Wäre es möglich, einen längeren Vortrag auch über simultane Spracheingabe in den Computer zu halten?

- Gibt es aktuell bereits weitere technische Möglichkeiten, die es z. B. erlauben, Gehirnströme direkt in Sprachnachrichten zu übersetzen?

- Können Sie mit Ihrer Form der "Unterstützten Kommunikation" auch telefonieren?

Viele solcher spannenden Fragen aus dem Publikum, die sie sehr ausführlich beantwortete, machten uns auf beeindruckende Weise deutlich, wie viel Abhängigkeit von Mensch und Technik und wie viel Selbstständigkeit doch zugleich dieses unterstützte Kommunizieren bedeuten kann.

So bedanken wir uns abschließend ganz herzlich bei Kathrin Lemler für ihren Gastvortrag, der uns im Rahmen des Unterrichtsthemas zur Sprachreflexion ganz neue Perspektiven auf unsere so selbstverständliche Art des Kommunizierens im Alltag eröffnet hat! Vielen Dank!

Marike Linberg (Q1)